FALL DES MONATS
ÜBERDOSIERUNG TRAMAL TROPFEN
WAS IST PASSIERT?
Schmerzambulanz eines LKH hat dem 13jährigen Buben bis zu 2x täglich 15 Tropfen Tramal Tropfen 30ml Gebinde verschrieben. Apotheke hat das 30ml Tramal Tropfen Gebinde mit dieser 2x täglich 15 Tropfen (passenden) Dosierung expediert. Das Gebinde von Grünenthal 30ml Tramal Tropfen besitz aber eine Dosierpumpe (10ml Gebinde besitzt Tropfausguß; 30, 50 und 100ml Gebinde besitzen Dosierpumpen). Mutter gab dem Kind 15 Hübe anstatt 15Tropfen. Es kam zur 5 fachen Überdosierung.
Tramal Tropfen der Firma Günenthal
WAS WAR DAS ERGEBNIS?
Kind musste mit 5-facher Tramal Überdosierung ins Krankenhaus.
WO SEHEN SIE DIE GRÜNDE FÜR DIESES EREIGNIS?
Grund: Mischung von Tropfausguß und Pumpensystem bei dem gleichen Produkt: Tramal Tropfen der Firma Grünenthal
10ml Tramal mit Tropfausguß
30ml, 50ml, 100ml mit Dosierpumpe
Trotz Kennzeichnung äußerlich an der Verpackung sind zu viele Fehlermöglichkeiten gegeben. Krankenhaus verschrieb 30ml Gebinde mit Dosierpumpe, Apotheke überprüfte die Dosierung und Mutter des Patienten hatte andere Sorgen als wie Gebinde zu checken...
EIGENER RATSCHLAG (TAKE-HOME-MESSAGE):
Es sollte ein Produkt z.B. Tramal Tropfen Grünenthal nur mit einem Ausgusssystem geben. Nur Tropfausguss egal ob 10ml, 30ml, 50ml oder 100ml.
Pumpensystem ist immer kritisch, da es von der Kraft abhängt mit der man den Hubhebel betätigt. Ob die komplette und nur ein Teil der Dosierung abgeben wird.
WIE HÄUFIG TRITT EIN SOLCHES EREIGNIS AUF?
Quartalsweise
KAM DER PATIENT ZU SCHADEN?
Möglicher Personenschaden: Mittel
WELCHE FAKTOREN TRUGEN ZU DEM EREIGNIS BEI?
- Sonstiges: Grauzone der Medikamtentendosierung
KOMMENTARE
Lösungsvorschlag bzw. Fallanalyse
Medikationsfehler, die sich im Rahmen von möglicherweise verwechslungsanfälligen Behältnissen ergeben, sollten immer als Nebenwirkungsmeldung an die Österreichische Arzneimittelbehörde (Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen) gemeldet werden.
https://www.basg.gv.at/marktbeobachtung/meldewesen/nebenwirkungsmeldung-human
Nur dadurch erlangt die Behörde von allfälligen verpackungsrelevanten Problem Kenntnis und kann dadurch gegebenenfalls allfällige weitere Sicherheitsmaßnahmen ergreifen.
Rechtlichte Gegebenheiten
Medikationsfehler, wie hier beschrieben, fallen unter den erweiterten Begriff der Pharmakovigilanz/Nebenwirkungsmeldungen und sind gesetzlich verpflichtend von Angehörigen des Gesundheitswesens immer an die Behörde zu melden.
Gefahren- / Wiederholungspotenzial
Medikationsfehler lassen sich nicht immer vermeiden und beruhen oftmals auf menschlichem Versagen, mitunter aber durchaus begünstigt durch verwechslungsanfällige Verpackungen. Es ist daher wichtig die auslösenden oder begleitenden Umstände, die dabei eine Rolle gespielt haben, zu melden, damit diese behördlich erfasst, bzw. gegebenenfalls weitere Maßnahmen getroffen werden können.
Sonstige Anmerkungen
Bei zukünftigen Fällen sollten derartige Vorkommnisse immer an die Behörde gemeldet werden: https://www.basg.gv.at/marktbeobachtung/meldewesen/nebenwirkungsmeldung-human
ExpertIn der AGES
(Aspekt AGES)
Veröffentlichung am 25.07.2024
Lösungsvorschlag bzw. Fallanalyse
Das Thema Medikationsfehler mit Tramadol-haltigen oralen Lösungen aufgrund von Verwechslungen der verfügbaren Applikationssysteme (Dosierpumpe vs. Tropfapplikator) / Vermischungen von Dosisempfehlungen (Anzahl der Pumpdrücke vs. Anzahl der Tropfen) wurde bereits von der europäischen Zulassungsbehörde EMA im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Bewertung (sog. PSUSA) von regelmäßig aktualisierten Sicherheitsberichten zur Unbedenklichkeit von Arzneimitteln (sog. PSURs – hier für den Wirkstoff Tramadol) in den letzten Jahren ausführlich untersucht. Alle Hersteller von Tramadol-haltigen Arzneimitteln mit sowohl Pumpen- als auch Tropfmechanismus wurden im Rahmen dieser behördlichen Evaluierung aufgefordert, die bereits bei ihnen EU-weit auf nationaler Ebene implementierten oder noch geplanten Risikominimierungsmaßnahmen zu melden.
Die Grünenthal GmbH zeigte im Zuge dieses Verfahrens an, welche Maßnahmen bereits getroffen wurden, um das oben dargestellte Risiko einer Verwechslung zu minimieren. Zum einen ist auf der äußeren Verpackung des Dosierpumpensystems ein entsprechend gut sichtbarer Warnhinweis enthalten, der darauf hinweist, dass ein Hub der Dosierpumpe nicht gleich einem Tropfen ist:
Bitte beachten Sie, dass 1 Hub der Dosierpumpe
nicht 1 Tropfen der Tropfflasche entspricht.
1 Hub = 5 Tropfen (aus einer Flasche mit
Tropfvorrichtung) = 12,5 mg Tramadolhydrochlorid
Zusätzlich wird in der Gebrauchsinformation in Abschnitt 3 „Wie sind Tramal Tropfen in einer Flasche mit Dosierpumpe einzunehmen“ hervorgehoben, dass zwei unterschiedliche Dosiersysteme auf dem Markt verfügbar sind, die jeweils unterschiedliche Mengen Tramadol abgeben. Es wird explizit genannt, dass ein Hub der Dosierpumpe nicht einem Tropfen aus der Tropfflasche entspricht.
Tramal Tropfen werden in Form einer Tropfflasche bzw. in einer Flasche mit Dosierpumpe zur Verfügung gestellt. Bitte beachten Sie, dass 1 Hub der Dosierpumpe nicht 1 Tropfen aus der Tropfflasche entspricht. Für nähere Angaben lesen Sie bitte die Hinweise am Ende dieser Gebrauchsinformation.
Diese Information wird ergänzt um eine Tabelle, in der die korrekte Äquivalenz angegeben wird zwischen „Anzahl Hübe“ und „Anzahl Tropfen“ in Bezug auf die abgegebene Menge Tramadol in mg:
VOLLE HÜBE DER DOSIERPUMPE TRAMADOLHYDROCHLORID ENTSPRECHENDE TROPFENANZAHL
1 Hub 12,5 mg 5 Tropfen
2 Hübe 25 mg 10 Tropfen
In diesem Abschnitt wird ebenfalls nicht nur eine Empfehlung für die zu verabreichende Tramadolmenge in mg und die Häufigkeit der Verabreichung, sondern auch für die entsprechenden Hübe gegeben:
Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren
Die übliche Dosis Tramal Tropfen in einer Flasche mit Dosierpumpe ist 4 bis 8 Hübe (entsprechend 50 bis 100 mg Tramadolhydrochlorid). Der Effekt hält, abhängig von der Intensität der Schmerzen, etwa 4 bis 6 Stunden an.
Im abschließenden Behördenbericht wurden die hier zusammengefassten und von der Grünenthal GmbH bereits implementierten Maßnahmen als ausreichend angesehen, um das Risiko eines Medikationsfehlers bei Flüssigformulierungen zu minimieren.
In Österreich sind verschiedene Dosiersysteme für Tramal-Tropfen auf dem Markt erhältlich. Das Gebinde zu 10ml stellt hierbei die einzige Größe mit einem Tropfapplikator dar. Die weiteren Größen zu 30ml und 96ml sind ausschließlich mit Dosierpumpe erhältlich. Den Angaben in Ihrem Bericht zufolge hat die Schmerzambulanz eine Dosierung von 2x15 Tropfen empfohlen und hierfür das Gebinde mit 30ml aufgeschrieben. Da dieses Gebinde nicht mit Tropfapplikator (Dosierung in Tropfen) erhältlich ist, hätte bei der Abgabe die Dosierung von Tropfen in Hübe umgerechnet werden müssen, was offenbar nicht erfolgt ist.
Als Hersteller von Opioid-haltigen Arzneimitteln ist Grünenthal sich seiner besonderen Verantwortung bewusst.
Im Zuge der von uns durchgeführten routinemäßigen Pharmakovigilanz-Aktivitäten werden wir daher auch in Zukunft das Risiko eines Medikationsfehlers aufgrund von Verwechslungen der verfügbaren Applikationssysteme engmaschig monitorieren.
Gemeinsam mit den Behörden werden die dokumentierten Meldungen ausgewertet und dienen als Basis für potenzielle weitere Maßnahmen.
ExpertIn der Grünenthal Pharma
(sonstiger Aspekt, Pharma)
Veröffentlichung am 26.07.2024